Auf der Jagd nach ihrem Erzfeind Nefarious springen Ratchet und Clank in "Rift Apart" nicht nur mit atemberaubender Geschwindigkeit zwischen Planeten und Dimensionen - sie müssen auch noch beweisen, was die Hardware der neuen Sony-Konsole auf dem Kasten hat.
KRITIK • PS5 • Über zehn Jahre hat sich "Spyro"-, "Resistance"- und "Spider-Man"-Entwickler Insomniac Zeit gelassen, um seinem beliebten Jump’n’Run- und Action-Duo "Ratchet &
Clank" ein ernstzunehmendes neues Abenteuer zu spendieren. Auf der PS4 durften sich Fans zwar über ein effektvolles Remake des ersten Teils (ursprünglich 2002 für PS2) freuen – aber die letzte
echte Fortsetzung der Hauptserie war das PS3-Abenteuer "Crack in Time" von 2009, während man mit "All 4 One" und "QForce" zwei umstrittene Multiplayer-Ableger und mit "Nexus" einen gerade
mal fünf Stunden langen Nice-Price-Snack lieferte.
Dabei sind die Erwartungen an den frechen Lombax und seinen kleinen Roboter-Sidekick diesmal besonders hoch: Denn es geht nicht nur um die Ehrenrettung der eigenen Serie – obendrein soll man als
erster waschechter, PS5-exklusiver Blockbuster die Performance-Hoheit der neuen Sony-Konsole unter Beweis stellen: Raytracing, filmreife, super-flüssige 4K-Optik sowie die Fähigkeiten der
blitzschnellen SSD-Festplatte – all das und noch viel mehr sollen die beiden Helden eindrucksvoll nutzen, um Interessenten zum Kauf der neuen Konsole zu bewegen. Und um PS5-Besitzern zu beweisen,
dass ihre Investition nicht vergebens war.
Um dieses Kunststück zu schaffen, zeichnet Insomniac das rasante Szenario eines Dimensions-Crashs: Robo-Kumpel Clank will Ratchet unter viel PR-Tamtam einen "Dimensionator" schenken – ein
Werkzeug zur Reise zwischen den Dimensionen. Damit soll der Lombax in einem Parallel-Universum endlich seine verschollenen Artgenossen finden können. Klar, das so viel High-Tech auch bei den
Bösen Begehrlichkeiten weckt: Erzfeind Nefarious stiehlt das Gerät, um sich in eine Wirklichkeit zu beamen, in der er sich bereits zum obersten Herrscher aufgeschwungen hat.
Resultat der Aktion: Ein handfester Dimensions-Crash, der die Realitäten mächtig durcheinander wirbelt und in dem man kaum noch sagen kann, wo die eine Realität aufhört und die andere anfängt. In all dem Trubel treffen die beiden Helden sogar auf ihre Gender-Gegenstücke aus einer anderen Wirklichkeit: die kesse Lombax-Lady Rivet und eine knuffige Roboter-Dame, die sich anfangs beide schwer damit tun, ihren Pendants aus der anderen Welt zu vertrauen. Den meisten Spaß hat dabei aber ohne Frage der Spieler, weil er – je nach Mission – munter zwischen beiden Helden-Duos wechseln darf. Die spielen sich leider exakt identisch, haben dafür aber eine besonders herzige Geschichte zu erzählen.
Insomniac wiederum nutzt den Dimensions-Salat, um die Vorzüge der SSD unter Beweis zu stellen: Wenn sich Ratchet mit einem Energie-Lasso mitten im Feuergefecht zwischen Realität-Rissen hin und
her peitscht, dann wechselt er augenblicklich von einem Ende des Schlachtfeldes zum anderen – ganz ohne jede Ladepause. Schade: Wechseln die Helden gleich komplett die Wirklichkeitsebene,
fungieren die Übergänge und Risse im Grunde nur als eine Art Tunnel von einem Level-Abschnitt zum nächsten – davon haben wir mehr erwartet. Aber immerhin: "Rift Apart" kennt keine
Warte-Bildschirme – höchstens Szenen-Wechsel. Ob man nun von einer Realität oder einem Planeten zum nächsten reist: Das Abenteuer bleibt immer flüssig und in Gang.
Auch wenn das eigentliche Aushängeschild von "Rift Apart" – die Reise zwischen den Welten – etwas ernüchternd wirkt, so lässt die Next-Gen-würdige Inszenierung des Abenteuers keine Wünsche offen:
Ob vor Alien-Leben brodelnde Raumhäfen, Minen-Welten, Sumpfplaneten, finstere Raumstationen und weite, per Raketenstiefel bereisbare Ebenen, durch die gigantische, Roboter-Tempelanlagen trampeln
– mit all seiner überbordenden Detailfülle wirkt das neue "Ratchet & Clank"-Abenteuer wie das spielbare Gegenstück zu einem Computer-animierten Hollywood-Film.
Wer sich mit 30 Einzelbildern pro Sekunden zufriedengibt, der stürzt sich gierig auf einen Grafikmodus, in dem er die volle 4K-Auflösung genießt. Der Performance-Modus dagegen verspricht bei
flüssigen 60 Bildern pro Sekunde eine "dynamische“, meist eher in Full-HD-, denn 4K-Regionen driftende Auflösung, verzückt aber wenigstens mit der gleichen Detail- und Effektdichte.
Immerhin.
Wer ein Faible für explodierte Plüschtier-Action, schrägen Humor und ein gigantisches Angebot aus aberwitzigen Waffen sowie Gadgets hat, ist hier – der 4K-Einschränkungen zum Trotz – genau
richtig: "Rift Apart" bietet jede Menge zuckersüßen Inszenierungs-Bombast, ist gefühlvoll erzählt und weiß immer genau, wie es seine teils aberwitzigen Pointen relativ zu den Aktionen des
Spielers timen muss – das ist interaktive und animierte Entertainment-Kunst auf allerhöchstem Level. Schon mal die Feinde mithilfe eines Öko-Handschuhs in Efeu-überwucherte Statuen verwandelt,
während sich der Rest der Gegner-Bande munter weiter unterhält und dabei launig das Schicksal ihrer zugewachsenen Kameraden kommentiert? "Rift Apart" ist Labsal für Seh- und Lachmuskeln.
elektrospieler meint: Das neue "Ratchet & Clank" ist genau die Weltraum-Gaudi, die Sonys neue Konsolengeneration gebraucht hat und lässt sich bei all dem hemmungslosen
Kawumm-Kalauer eigentlich nur eins zuschulden kommen: seine fast schon aufdringliche Geradlinigkeit. Wo sich frühere Serienteile und insbesondere das Erstlingswerk immer wieder verzweigt haben
und das Auffinden neuer Gadgets zum echten Abenteuer wurde, gibt es bei "Rift Apart" nur eine echte Herausforderung – die Action. Damit reiht sich das neue Lombax- und -Roboter-Abenteuer in die
Reihe derjenigen Spiele ein, die Sony eher nach filmischer, denn spielerischer Direktive produziert. Damit kann man zwar eine Menge Spaß haben – aber etwas mehr Gameplay-Tiefe wäre trotzdem schön
gewesen.
Note: 8.5 (SEHR GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend