Alien und Indianer: PREY


 

FILM • In den 80ern waren Monsterfilme noch ein bisschen anders: Weniger glamourös, weniger blockbusterig, weniger aufwendig – aber dafür eben auch merklich monströser. Räudiger. Blutiger. Weniger auf ein Massenmarkt-taugliches „PG-13“-Age-Rating gebürstet. Und ja, manchmal auch ganz schön verschwitzt – und sexy.

Wie "Predator 2": Der verlegt das Szenario des 1987er-Originals von den Moskito-verseuchten Urwäldern Guatemalas in den sommerlichen Großstadt-Dschungel von Los Angeles. Mit Danny Glover statt Arnold Schwarzenegger als Monsterjäger wider Willen und meuchelnden Street-Gang-Voodoo-Priestern als einer Art übernatürlichem Appetizer. Um das kalte Space-Monster zu erden und von den Sternen in die sinnlich erfahrbare, irdische Welt aus Fleisch, Blut und Gewalt zu holen – eine Welt, mit der sich das Horror-affine Publikum dieser Zeit verbinden kann, um für zwei Stunden in einer Welt des wohligen Schauers zu verweilen.

Denn der fantastische und futuristische Film dieser Zeit ist stark im Horror-Genre verwurzelt. Selbst zeitlose Kinder- und Jugendfilm-Klassiker wie „Die Goonies“ oder „Gremlins“ kommen nicht ohne Schocker- und Splatter-Effekte aus – immerhin ist auch Hollywoods Wunderkind dem Spiel mit dem Grauen verhaftet. Bevor Steven Spielberg mit „Indiana Jones“, „E.T.“ & Co. die Film-Landschaft revolutioniert, dreht er Horrorfilme – und selbst vergleichsweise harmlosen Stoffen des Regisseurs sieht man die Splatter- und Grusel-Wurzeln an: Das Ekel-Dinner im indischen Palast von „Temple of Doom“ mit sich über die Tafel windenden Schlangen, frisch aus dem Schädel gelöffelten Affenhirn zum Beispiel ist bis heute legendär – sogar der für ein breites Publikum gedrehte "Jurassic Park" und der anspruchsvolle "Schindlers Liste" kommen nicht ohne Horror-Stilmittel aus. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das Publikum zu schockieren, ihm Furcht einzuflößen oder gar an seine Urängste zu appellieren – das ist eines der effektivsten Mittel, um den Zuschauer emotional in das Filmgeschehen zu involvieren. Es macht – klug eingesetzt – den Film zum anderweltlichen Erlebnis.
Heute dagegen sind der fantastische und der schaurige Film meist strikt voneinander getrennt: Fantastische bis futuristische Stoffe sind – nicht zuletzt Disney und Marvel sei Dank – bonbonfarbene Multi-Millionen-Dollar-Produktionen, die es sich nicht leisten können, ein nur erwachsenes und Ekel-resistentes Publikum abzuholen. Dass diese Rechnung nicht mehr funktioniert, hat zuletzt James Gunns neue "Suicide Squad" gezeigt: Das 185 Mio. Dollar teure Gag-, Effekt- und Splatter-Feuerwerk hat an der Kinokasse nicht mal seine Produktionskosten reingeholt – und steht damit im Schatten des ungleich höheren Box-Office-Ergebnisses seines Vorgängers. Der gilt zwar als der wesentlich schwächere Film, hat aber beinahe 750 Mio. in die Warner/DC-Kassen gespült – fast so viel wie der erste "Guardians of the Galaxy" von James Gunn für Marvel/Disney. Potentielle Erklärung: Klar, kein Corona – aber vor allem "PG-13".

Mit solchen Problemen muss sich der neue "Predator"-Film von "10 Cloverfield Lane"-Regisseur Dan Trachtenberg nicht herumschlagen: Der im Nordamerika des frühen 18. Jahrhunderts angesiedelte "Prey" wurde für den Stream über Hulu bzw. Disney+ produziert und muss daher keine Kino- und Age-Rating-Barriere überwinden, um über den heimischen TV flimmern zu dürfen. Außer vielleicht den Auflagen sensibler Eltern, die nicht wollen, dass sich ihre Sprösslinge nachts von mordenden Alien-Body-Buildern mit vor Schleim triefenden Beißwerkzeugen anfauchen lassen. Darum hält sich "Prey" – wenn es um ein paar zünftige Brutalitäten geht – zwar nicht so dermaßen zurück, wie man es vom Fantasy- bis SciFi-Blockbuster-Kino der heutigen Zeit gewöhnt ist, aber so richtig die Alien-Sau raus lassen will der kosmische Großwildjäger dann doch nicht: Im Kampf gegen das Biest aus einer anderen Welt macht die junge Comanchin Naru (Amber Midthunder) – mit nichts bewaffnet als Tomahawk, Bogen, ihrem treuen Wauwau und ganz viel Köpfchen – keine Gefangenen und scheut selbst davor nicht zurück, französischen Trappern die Beine abzusäbeln … doch ein Horrorfilm … das ist "Prey" deshalb noch lange nicht. Dafür ist dieses Monster einfach nicht bedrohlich genug – man kennt seine Tricks.

Denn ab dem Moment, in dem Kinozuschauer am Ende des zweiten "Predator"-Films einen Alien-Schädel an Bord des Raumschiffs entdeckten, war die zukünftige Film-Karriere des galaktischen Jägers schon geschrieben: In diesem Moment wurde die Kreatur vom furchteinflößenden Monster zum bloßen Franchise-Transporteur, dessen Auftauchen immer mit einer bestimmten Erwartungshaltung seitens des Publikums einhergeht. Mit der Verpflichtung zum gelegentlichen Crossover: Ein Stilmittel, bei dem sich Vermarktungs-Profis die Finger reiben, aber Filmkritiker und ernstzunehmende Medien-Künstler meistens die Haare raufen, weil es Einzelwerke ihrer Selbständigkeit und Mündigkeit beraubt. Ein Monster wie der Predator wiederum wird dadurch vor allem seiner Schaurigkeit beraubt: Er wird kommen, er wird aller Überlegenheit zum Trotz furchtbar eins auf die Raubzähne bekommen und er wird (drauf)gehen, um Platz für einen seiner vielen, vielen Jäger-Kollegen zu machen. Und seien wir mal ehrlich: Inzwischen ist der Predator doch genau das, was der neue Film bereits in seinem Titel kommuniziert: die Beute.

Dass "Prey" dabei trotzdem besser performed als all seine Jäger-Kollegen der letzten 30 Jahre zusammen, ist nicht zuletzt seiner entwaffnenden Einfachheit und Ehrlichkeit geschuldet: Als Teil eines Franchises muss sich das gerade mal anderthalbstündige Scharmützel nicht mit langen Vorreden oder Erklärungen aufhalten – tut es auch nicht. Hier Heldin, dort Monster – und jetzt gib ihm! Auch die Mehrdeutigkeit des Begriffs "Beute" wird von Anfang an ehrlich kommuniziert: Jeder jagt hier irgendwen oder wird von irgenjemandem bzw. irgendwas gejagt, gefressen, gemeuchelt und verdaut. Indianer, Trapper, Löwen, Wölfe, Bären, Predatoren – fressen, killen und überleben wollen sie alle. Und wer an der Spitze der manchmal blutig, aber leider niemals schaurig präsentierten Nahrungskette steht, will noch ausgemacht werden. "Spoiler": der Predator ist es nicht.
Am Ende ist der neue "Predator" also mehr druckvoll inszenierte Action-Jagd als Monster-Horror: Das funktioniert vor allem deshalb hervorragend, weil man sich endlich dafür entschieden hat, die Weltraum-Safari-Bestie von jeglichem zivilisatorischen Kontext zu entkoppeln: Zum einen, weil ein archaisches Szenario besser zur Menschen-Safari passt, die jeder "Predator"-Auftritt einleitet – zum anderen, weil man sich auf diese Weise um jede Erklärung herum laviert, die eventuell nötig wäre, um den Kontext der vielen, vielen anderen missglückten "Predator"-Filme fremdschämig zu erklären oder ignorieren.

All diese Entscheidungen sind aber nicht nur Stärken, sondern zugleich Schwächen: Denn sie führen uns immer wieder vor Augen, dass letztlich auch "Prey" nur ein Franchise-Verwalter ist – mit allen Problemen, die das mit sich bringt und allen Fragen, die es zwangsläufig aufwirft. Wie der Frage, ob es nicht besser wäre, auch dieses Monster endlich mal sterben zu lassen, anstatt es wieder und wieder durch eine – mal mehr, mal weniger gelungene – blutige Muppetshow turnen zu lassen. Aber wenigstens handelt es sich diesmal um einen der besseren Auftritte der Mörder-Muppets. Um eine angenehm unkomplizierte und druckvolle Action-Episode mit Tempo sowie schicker Choreographie, die sich zwar leider einen Tick zu ernst nimmt, dabei aber immerhin ohne größere Peinlichkeiten auskommt.

Wäre "Prey" der letzte "Predator"-Film, wäre es ein gelungener Abschluss und die Ehrenrettung für ein leider größtenteils unwürdig behandeltes Filmmonster, das besser niemals zum Franchise-Träger geworden wäre. Aber da wird wohl leider noch mehr kommen – und es gibt jetzt wieder viel Luft nach unten.