Tierisch verwirrt: Nikoderiko – The Magical World

 

Große Sprünge, süße Bonbon-Märchengrafik und ein bisschen von allem: Warum uns die Jump'n'Run-Platte "Nikoderiko" trotz chronischer Planlosigkeit geschmeckt hat.

 

KRITIK • PS5/4, Series X/S, Switch, PC • Seit Sonic hat sich bei Jump'n'Run-Entwicklern ein witziges Brauchtum eingeschliffen: Animalische Helden-Figürchen, bei denen das Vorbild aus der Natur so stark abstrahiert wurde, dass man es selbst mit seeeehr viel Fantasie kaum erkennt – es sei denn, die Entwickler würden ihm ein Schild umhängen: Sonic – Igel, Erinaceidae. Havoc – Seehund, Phoca vitulina. Crash Bandicoot – Nasenbeutler, Peramelemorphia.

 

Das fühlt sich dann ein bisschen wie ein Ausflug nach Entenhausen an, wo wir – abgesehen vom prominenten Federvieh und Mäuserich Micky – die meisten Mitglieder der anthropomorphen Bevölkerung nur höchst mühsam zuordnen können. Wenn überhaupt. Oder habt Ihr Euch nicht auch schon immer gefragt, was zum Teufel Goofy darstellen sollen? Einen Hund? Und warum hat eine Maus einen Hund als vierbeiniges Haustier, während sie mit einem auf zwei Beinen laufenden, sprechenden Hund auf Abenteuer auszieht? Und warum zum Teufel haben all die mutmaßlichen Menschen auch so schwarze Knopfnasen? Sollen das ebenfalls Hunde sein? Oder Nager?

 

Bei so viel tierischer Verwirrung blicken manchmal sogar die Firmen nicht mehr durch, die uns diese Helden verkaufen wollen. So kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie mir Mitte der 90er-Jahre der PR-Kollege von Sony weismachen wollte, es handele sich bei"Crash Bandicoot" um einen Fuchs – und davon wollte er auch ums Verrecken nicht abrücken. Naja, Wikipedia war noch nicht erfunden – und vermutlich ging er einfach davon aus, dass Videospielredakteure zu doof sind, um in einem Lexikon nachzuschlagen.

 

Circa 28 Jahre später sind die anthropomorphen Verwirrungen zwar seltener geworden – aber ja, es gibt sie noch immer. Oder wärt Ihr auf die Idee gekommen, es könnte sich bei den Helden von "Nikoderiko" – dem Wohlfühl-Jump'n'Run aus der zyprischen Hupfspiel-Schmiede VEA – um MANGUSTEN handeln? Nein, KEINE LANGUSTEN!!! MANGUSTEN!!! Was? Nein, das ist nix zum Essen! Naja, oder zumindest würde ich es nicht empfehlen!

 

 

Zum Beispiel, weil die Tierchen einfach viel zu drollig sind, um sie einfach zu verputzen: Mangusten – das sind nämlich kleine, wuselige Räuber, zu denen u.a. die Mungos und Erdmännchen gehören. AWWWWWW <3 Trotzdem sehen die beiden Helden (von denen wir entweder einen oder beide zusammen im Koop spielen) für mich eher nach Löwen, Tigern oder ähnlichen Großkatzen aus – auch wenn sie in Gesprächen mit den Level-Bewohnern noch so hartnäckig darauf bestehen, keine zu sein. Und überhaupt: Was haben Erdmännchen, pardon Mungos, äh MANGUSTEN eigentlich in einem karibischen Abenteuer-Setting à la "Donkey Kong Country" verloren??? JAAAAA, ich finde es ÄUSSERST verwirrend, wenn anthropomorphe Helden nicht ihren tierischen Klischees entsprechen!!!

 

Unter ähnlichen Identitätssproblemen wie die beiden Front-Plüschis leidet übrigens das ganze Spiel: Entwickler VEA wirft hier so viele thematische, Design-seitige und eben visuelle Versatzstücke in den Genre-Mixer, dass "Nikoderiko" nie eine klare Richtung bekommt und am Ende vor allem eins ist: eine Sammlung aus ganz, ganz vielen lose herum baumelnden Erzähl- und Gameplay-Strängen, die sich aber immerhin nie allzu stark ineinander verknoten.

 

Zusammenhalt gibt's vor allem durch das großartige audiovisuelle Fundament: Märchenhafte Dschungel- und Höhlenwelten, die wir mal von der Seite, mal mit der Kamera hinter der Heldin bzw. dem Helden erkunden – das ist zwar nie besonders anspruchsvoll oder innovativ, fühlt sich aber großartig an und sieht auch genauso aus. VEA Games weiß vielleicht nicht, wie man tolle interaktive Geschichten erzählt – aber man weiß immerhin, wie man sie richtig gut aussehen lässt und dafür sorgt, dass der Spieler seinen Spaß damit hat. Darum wirkt "Nikoderiko" manchmal wie ein Besuch im Vergnügungspark: Wir kommen mit all den prachtvollen Kulissen, Figuren und Effekten zwar kaum in Berührung – aber am Ende haben wir trotzdem den Eindruck, als hätten wir ein großartiges Abenteuer erlebt und uns ordentlich angestrengt, um es wieder zum Ausgang zu schaffen. Obwohl das Gefühl der Anstrengung weniger mit bestandenen Gefahren als vielmehr der zurückgelegten Wegstrecke und einer übervollen Popcorn-Plauze zu tun hat.

 

So ähnlich ist das auch bei "Nikoderiko": Wenn ich hier für zwei Stunden mit einem Slide-Manöver böse Reptilien von den Füßen geholt habe und auf dem Rücken von Mini-Dinos, Kröten und Riesen-Seepferdchen durch den "Park" geritten bin, dann habe ich mich zwar nicht gerade gehaltvoll "ernährt" – aber ich bin satt und happy. Will heißen: Kann man mal machen – gerade dann, wenn große Vorbilder wie "Donkey Kong Country" nach einem taffen Arbeitstag für zu viel Frust sorgen.

Darum würde es mich auch gar nicht weiter wundern, wenn ich nach zu viel "Nikoderiko" ordentlich zunehme. Wie bei Fast Food und Süßigkeiten: Auch die machen glücklich – und fett! (Robert Bannert)

*rülps*

 

Note: 7.5 (GUT)

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend