Mission Tageslicht: "Metro" verlässt die Tunnelwelt


 

Endlich frische Luft: Neun Jahre nach ihrem Start verlässt 4A's Adventure-inspirierte Ego-Shooter-Reihe die Tunnelwelt der Titel-gebenden Metro und wagt sich an die Erdoberfläche. Ganz ohne Gasmaske.

 

Sechs Jahre nach "Metro: Last Light" zieht es die Helden aus den U-Bahn-Tunneln unter Moskau an die Erdoberfläche und ins Umland der verwüsteten Metropole: Warum genau es Held Artjom, Herzblatt Anna und ihre wackere "Spartaner"-Truppe hierhin verschlägt soll nicht verraten werden - denn die erzählerischen Hintergründe der "Metro"-Welt zu erkunden, das macht wieder mal einen wesentlichen Reiz des ebenso stark im Adventure- wie im Shooter-Genre verwurzelten Ego-Trips aus.

Der in der Ukraine beheimatete Entwickler 4A Games nutzt den Szenario-Wechsel, um die bisher eher geradlinige Struktur seiner von Dmitri Gluchowskis Romanen inspirierten Spielwelt aufzubrechen und den Gamer in weitläufigere Baller- beziehungsweise Forschungs-Areale zu locken. Ein echtes Open-World-Game ist der Exodus aus der Metro aber nicht: Spiel-Areale wie eine von hungrigen Riesenfischen und Langusten-Wesen bewohnte Eiswüste, ein herbstlicher Wald oder eine von Standstürmen heimgesuchte Wüste sind strikt voneinander getrennt. Oder auf gut Gamer-Sprech: Sie sind stark instanziiert.

 

Innerhalb dieser meist weitläufigen Instanzen kann sich der nach wie vor wortkarge Held Artjom allerdings ziemlich frei bewegen - vorausgesetzt, er trifft auf keine natürlichen Grenzen wie Berge oder Flüsse. Und in letzterem Fall liegt vermutlich irgendwo ein Boot vertäut, mit dem er durch das von Riesenfischen und schnappmäuligen Mega-Shrimps bewohnte Gewässer paddeln kann. Will er dagegen eine von Banditen belagerte Ruine filzen, um die dort verborgenen Ressourcen zu erobern, kann er sich die entsprechende Taktik selber zurechtlegen: Die Fieslinge aus sicherer Entfernung mit dem Zielfernrohr erledigen, brutal mit der Tür ins Haus fallen oder  die Schurken nach erfolgreichem Schleichgang hinterrücks meucheln? Das bleibt Geschmack und Geduld des Spielers überlassen. Und ist nicht zuletzt dem zu Spielbeginn gewählten Schwierigkeitsgrad geschuldet: Denn bereits ab "Normal" sind die Feinde so zäh und die zur Munitionsherstellung nötigen Rohstoffe derart knapp, dass im Zweifelsfall Schleichen die erste Manöver-Wahl ist.

 



 

Bei all dem darf der "Metro"-Held seine Gasmaske die meiste Zeit stecken lassen: Anders als in den Vorgängern ist die Luft nicht verstrahlt oder toxisch – Artjom darf also kräftig durchatmen! Und gerät er doch mal in ein verseuchtes Gebiet, dann heißt es wie bei Teil 1 und 2: Gasmaske abwischen, aufsetzen und regelmäßig den Luftfilter wechseln, bevor die Heldenpuste knapp wird!

Schade nur, dass "Exodus" als Shooter nicht annähernd so gut funktioniert wie als Abenteuer: Wirklich großen Spaß hat man hier nur, solange man sich der wunderbar bedrückenden Spielwelt und vielen kleinen bis große Geschichten Welt widmet. Doch sobald man exzessiv die Waffen sprechen lässt, ist ein wesentlicher Teil der Spielfreude perdu: Eine träge Steuerung, fehlender Rumms und dämliche KI-Gegner trüben das Shooter-Vergnügen spürbar. Darum heißt es im Kugelhagel oder beim Kampf gegen entstellte Monstrositäten: Augen zu und durch. Und auf den Moment freuen, in dem man die Bleispritze wieder in den Holster stecken darf. Wer sich mit den eroberten Ressourcen hinter eine Werkbank klemmt und fleißig Ausrüstungs-Updates bastelt, der kann zwar halbwegs gegen diese Probleme an-basteln, aber flüssiges Game- beziehungsweise Gunplay sieht anders aus.

Dass der "Exodus" an die Oberwelt am Ende eines verstrahlten Spieltages trotzdem einen guten Eindruck hinterlässt, ist der Detailversessenheit von 4A's Grafik-Künstlern zu verdanken: Selten hat eine Apokalypse so gut ausgesehen – oder waren ihre mutierten Bewohner so furchteinflößend. Wer einen packenden Horror-Trip mit dezenter Survival-Note oder einfach nur eine untergegangene Welt entdecken will, der ist hier goldrichtig. Denn hat man 4A's Spielwelt erstmal betreten, will man sie nicht mehr verlassen, bevor man nicht jeden Winkel durchleuchtet, jeden Ghul-Schädel zerschmettert und alle Rätsel geknackt hat. Möchte man dagegen in erster Linie einen flotten Shooter oder ein ausgewachsenes Open-World-Spektakel erleben, schaut man sich besser woanders um.

 

Note: 8.0 (GUT)

 

 



WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend