Knallhart auf der Lauer: Sekiro – Shadows die twice


 

Erbarmungslos harte Gefechte, kaum Spielhilfen und eine innige Bekanntschaft mit dem "Game Over"-Bildschirm: Mit diesem Konzept haben der ehemalige japanische Außenseiter From Software und seine "Dark Souls"-Reihe vor sieben Jahren das Action-Rollenspiel aufgemischt und dabei außerdem eine lebhafte Diskussion über Schwierigkeitsgrade ausgelöst. Darüber hinaus hat Froms "Ist es zu hart, bist Du zu schwach!"-Rezept eine ganze Reihe von Nachahmern inspiriert – ganz vorne mit dabei zum Beispiel die deutsche Spiele-Schmiede Deck13, die mit "Lords of the Fallen" und "The Surge" ihre bisher größten Verkaufs-Hits gelandet hat.

Doch nach mittlerweile fünf "Souls"- beziehungsweise "Souls"-ähnlichen Spielen sah man sich bei From wohl in der Pflicht, das Konzept ein wenig zu überholen: Für seine erste Zusammenarbeit mit Activision als Publisher hat das Studio deshalb die Regionen der behäbigen Schild-Träger und bärbeißigen Fantasy-Axtschwinger verlassen, um sich stattdessen beim flinkeren Kampfspiel-Genre anzulehnen: Das Resultat ist die Geschichte eines einsamen Shinobi-Ninja, der sich mit Schwert und einem künstlichen, Greifhaken-bewehrten Arm durch eine Welt voller folkloristisch angehauchter Monstrositäten kämpft, um seinen jungen Herrn zu befreien. Wie seine Kollegen aus dem "Dark Souls"-Kosmos ist Held Sekiro ein Untoter, der nach seinem gewaltsamen Ableben wieder aufersteht: Mit etwas Glück erfolgt die Instant-Wiedergeburt direkt an Ort und Stelle – ansonsten versetzt es den gebeutelten Shinobi zu einem geheimnisvollen Schrein. Praktisch: Mithilfe magischer Statuen darf Sekiro zu schon bereisten Regionen schnellreisen.

 

Anders als bei "Dark Souls" und seinen Genre-Verwandten lässt der Ninja allerdings keine zuvor gesammelten Seelen, Punkte oder Habseligkeiten am Ort seines Ablebens zurück, die er anschließend wieder aufsammeln darf – stattdessen gibt es einen saftigen Straf-Abzug bei den mühsam erkämpften Erfahrungspunkten, sobald er ins Schilfgras beißt. Einziger Ausweg: Die Chance auf einen spontanen göttlichen Segen – und den bekommt man zu Spielbeginn in 30 Prozent der Fälle. Nur: Je öfter man stirbt, desto mehr schrumpft der Prozentwert und mit ihm die Chance darauf, dass man beim Ableben keine Punkte einbüßt…

 



 

Aber wirklich hart ist Froms neuer Höllen-Trip vor allem dort, wo sich der Großteil der Shinobi-Odyssee abspielt – im Kampf: Wie bei den "Dark Souls"-Gefechten geht es in erster Linie darum, die (bevorstehenden) Attacken der Feinde genau zu lesen, um dann im richtigen Momenten auszuweichen oder zu kontern – allerdings kann man sich diesmal nicht hinter einem dicken Schild verkrümeln, um dem gröbsten Schaden zu entgehen. Wie es sich für ein knallhartes Geschnetzel rund um japanische Schwertkämpfe gehört, setzt Sekiro auf schnelle Schlagfolgen und verlangt deshalb nach ebenso flinken Reflexen. Mit dem wichtigen Unterschied allerdings, dass der Held wesentlich weniger Treffer schluckt als zum Beispiel die Kampfkünstler aus einem "Devil may cry". Entsprechend vorsichtig und präzise muss der Spieler sein, wenn er sich hier durch Armeen von Soldaten und Kabuki-Kobolden metzelt. Wichtig ist dabei vor allem der richtige Rhythums: Wer die gegnerischen Attacken immer rechtzeitig pariert, der öffnet dabei früher oder später für einen Moment die gegnerische Deckung und kann den Feind dann unter Umständen mit nur einem gezielten Hieb vernichten. Eine Taktik übrigens, die auch bei Bossen funktioniert: Die schlucken unter Umständen mehr als nur einen solchen "Todesstoß", bevor sie keuchend einknicken – aber wer dieses System verinnerlicht, dem fallen die Endgegner-Gefechte spürbar leichter als die aus "Dark Souls" oder dem ebenfalls von From entwickelten "Bloodborne".

Im Zweifelsfall hilft aber auch heimliches Vorgehen nach Schleichspiel-Art, um übermäßig vielen Bildschirmtoden zu entgehen: Wer sich durchs hohe Gras heranpirscht oder von erhöhter Position mit gezücktem Katana auf sein Opfer zufliegt, der hat bessere Überlebenschancen als jemand, der sich tapfer mehreren Feinden gleichzeitig stellt, aber dabei in Scheiben gesäbelt wird.

Dochh auch abseits von klirrenden Schwertern und aus Halsschlagadern oder aufgetrennten Bäuchen sprudelnden Pixelblut-Fontänen setzt Froms neue Folter-Maschine auf Beweglichkeit. Denn: Sekiros mechanisch-magische Armprothese lässt sich nicht nur mit allerlei tödlichem Schnickschnack wie Wurfsternen veredeln – außerdem verschießt sie einen Greifhaken am Seil, mit dessen Hilfe Sekiro schwerelos zu entsprechend markierten Zielpunkten gleitet. Zum Beispiel auf Hausdächern, Bäumen, Vorsprüngen oder aus Felswänden hervor lugendem Wurzelwerk. Wer die Fortbewegung per Greifhaken meistert, kann noch während des Sprungs an einem neuen Punkt festmachen und auf diese Weise eine regelrechte Greifhaken-Sprung-Kette hinkriegen. Aber Vorsicht: "Shadows die twice" macht einem nichts einfach – weder Kampf noch Fortbewegung.

Für überzeugte "Dark Souls"-Jünger ist das natürlich nichts Neues. Doch ob sie mit Froms neuestem infernalischen Output etwas anfangen können, das ist vor allem davon abhängig, ob sie neben From-Titeln auch schnelle Kampfspiele mögen. Wer sich dem Shinobi-Trip mit der Prämisse nähert, ein weiteres "Souls"-Abenteuer zu verknuspern, wird möglicherweise enttäuscht. Wer für diese Sorte Genre-Cocktail allerdings den richtigen Magen (und  vor allem das passende Nervenkostüm) hat, der genießt eine infernalische Schwertkampf- und Rollenspiel-Odyssee, die obendrein mit der bisher schönsten und dynamischste Präsentation lockt, die Entwickler From bisher in irgendeinem Spiel aufgefahren hat – irgendwo zwischen folkloristisch aufgeladenem Ninja-Anime, "Sieben Samurai" und einem gothischen Grusel-Kammerstück.

 

Note: 8.5 (SEHR GUT)

 

 



WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend


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