DSA-Dungeon-Master Guido Henkel im Interview

© Guido Henkel, Attic
© Guido Henkel, Attic

 

Zusammen mit seinem deutschen Entwickler-Team Attic hat er in den 90ern die Original-DSA-Nordlandtrilogie geschmiedet und gigantische Rollenspiel-Verliese konstruiert: Dungeon-Master Guido Henkel erklärt uns, wie man damals RPG-Kerker gebaut hat.

 

Passend dazu gibt's HIER einen Artikel über pixelige und moderne Dungeon-Crawler.

 


Die ersten Dungeon-Schritte machte Attic in "Spirit of Adventure" (links) für ST, Amiga, PC und C64, aber ein zeitloses Denkmal setzte man sich mit der im DSA-Kosmos beheimateten "Nordland-Trilogie" (Mitte und rechts).
Die ersten Dungeon-Schritte machte Attic in "Spirit of Adventure" (links) für ST, Amiga, PC und C64, aber ein zeitloses Denkmal setzte man sich mit der im DSA-Kosmos beheimateten "Nordland-Trilogie" (Mitte und rechts).

 

Bevor Ihr mit Euren "DSA"-Spielen auf Flüssig-Scrolling umgestiegen seid, habt Ihr Eure Spiele mit klassischen "Umblätter"-3D-Dungeons realisiert – wie z.B. in "Spirit of Adventure". Aber das war ja im Grunde keine echte 3D-Grafik, obwohl es so aussah – korrekt? Wie wurde es dann technisch gelöst.

Das war quasi der Vorläufer zu richtiger 3D-Grafik. Das System ist Sprite-basiert, war auf 16-bit-Systemen also von der Performance her viel besser zu managen als richtige 3D-Engines. Das es Sprites verwendete, sah es auch deutlich besser aus als die klotzige 3D Grafik von damals.
Das Prinzip ist an sich recht simpel, obwohl es in der Ausführung ein paar knackige Herausforderungen gab. Basierend auf der Map, wird der Bereich vor dem Spieler in Bodenfelder aufgeteilt, die im Sichtbereich (Frustum) liegen. Die hinterste Reihe ist am Weitesten entfernt und man kann in der Ferne, sagen wir, fünf Felder sehen. In der nächst-näheren Reihe kann man dann drei Felder sehen und in der vordersten Reihe kann man ein Feld sehen, sowie die Ränder der nebenliegenden.
Das Programm analysiert nun – basierend auf der Map – was in jedem dieser sichtbaren Felder erscheinen soll. Wenn da eine Wand ist, werden die entsprechenden Wand-Sprites gezeichnet, wenn da ein Säule ist, wird eine Säule gezeichnet, wenn das ein Gegner steht, wird der Gegner gezeichnet, etc. All diese Sprites sind speziell, perspektivisch korrekt erstellt, sodass sie eben genau auf dieses Feld passen. Das Bild für jedes einzelne Feld wird also aus frontalen Elementen und Seitenteilen in Echtzeit zusammengebastelt, damit die Perspektive richtig ist und keine visuellen Löcher entstehen.
In dieser Weise geht das Programm nun ein Feld nach dem anderen durch – von den Seiten her zur Mitte, damit Überlappungen richtig überzeichnet werden. Dann nach vorn, wieder an den Seiten beginnend zur Mitte hin – und das so lange, bis sämtliche Teile gemalt sind. Auf diese Weise werden Überlappungen richtig behandelt und Teile hinter Öffnungen sind korrekt sichtbar. Am Ende hat man dann ein Bild, das eben wie eine richtige 3D-Version aussieht, obwohl sie aus einzelnen Sprites zusammengestückelt wurde.
Da das sehr viel Zeichenarbeit ist, habe ich damals diverse Optimierungen eingebaut, damit zum Beispiel komplett verdeckte Elemente gar nicht gezeichnet wurden. Wenn der Spieler also direkt vor einer Wand steht, ist es nicht nötig die direkt dahinterliegenden Wände zu zeichnen, da sie automatisch kleiner und daher verdeckt werden. Diese Optimierungen waren etwas knifflig, haben am Ende aber einen immensen Unterscheid in der Performance gemacht.
Dazu kamen noch ein paar visuelle Tricks, wenn sich der Spieler gedreht hat oder man einen Schritt vorwärts machte – einfach um die 3D-Illusion beizubehalten und die Bewegung flüssig aussehen zu lassen.

Später seid Ihr auf Flüssigscroll-Umgebungen mit echter 3D-Grafik umgestiegen: Was waren hier die technischen Herausforderungen? Und welche Vor- bzw. Nachteile brachte das in spielerischer Hinsicht mit sich?

Performance war natürlich ein Riesenproblem und auch das Aussehen. Ich habe lange Zeit von 3D-Grafik nicht viel gehalten, weil es einfach immer sehr klobig aussah. Damals gab es Sachen wie Alpha-Blending, bi- oder tri-lineare Interpolation etc. ja noch nicht – und selbst Anti-Aliasing war in den frühen Tage fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Gameplay-seitig hatte es allerdings den Vorteil, dass sich der Spieler freier bewegen konnte. Obwohl unser Spiel immer noch auf einer Map mit Feldern basierte, war es doch schön, dass man sich frei umsehen konnte und auch in seinen Aktionen nicht immer auf ein einzelnes Feld limitiert war, sondern klickbare Elemente überall im Bild haben konnte – auch in der Ferne.

 


Hier haben wir mit Bausteinen aus Guidos Projekt-Fundus ein paar Beispiele konstruiert: Links der nackte Hintergrund, daneben typische Dungeon-Szenen, die wir aus Elementen verschiedener Größe und Perspektive konstruiert haben.
Hier haben wir mit Bausteinen aus Guidos Projekt-Fundus ein paar Beispiele konstruiert: Links der nackte Hintergrund, daneben typische Dungeon-Szenen, die wir aus Elementen verschiedener Größe und Perspektive konstruiert haben.

 

Welche Art von 3D-Dungeon hat rückblickend betrachtet besser funktioniert? Und welche Titel sind Deiner Meinung nach besser gealtert – die "Umblätterer" oder die mit echter 3D-Grafik realisierten Flüssigscroller?

Ich war immer ein Fan von schrittweisen Dungeons. Das war ja auch der Grund warum ich das Konzept in meinem Spiel "Deathfire" (ein leider wegen gescheiterter Crowdfunding-Finanzierung eingestelltes RPG von Guido) wieder einbringen wollte – nur eben über eine richtige 3D Engine implementiert. Für mich repräsentiert es mehr diesen "Pen & Paper"-Aspekt von Rollenspielen, im Gegensatz zu komplett freier Bewegung. Es mag vielleicht nicht so realistisch sein, aber spielerisch hat mich das immer sehr gereizt. Wie ich eingangs schon einmal erwähnt habe, war die Sprite-basierte Version grafisch viel schöner, weil diese Elemente eben Pixel-genau von Grafikern gezeichnet werden konnten, währen 3D-Engines immer sehr klobig und detaillos wirkten. Aus dem Grund denke ich auch, dass Spiele wie "Eye of the Beholder" oder "Lands of Lore" viel besser gealtert sind als etwa "Ultima Underworld" oder "Schatten über Riva."

Welche Art von Rollenspiel bevorzugst Du heute persönlich?

Ich bin nach wie vor ein Freund von schrittweisen Dungeons. Games wie "Legend of Grimrock" haben ja gezeigt, dass so etwas nach wie vor tierisch Spaß machen und auch super aussehen kann. Allerdings sind 90 Prozent der Rollenspiele, die ich heutzutage spiele, in kompletten 3D-Welten angesiedelt – und auch das macht Spaß. Ich könnte mir offene Welten wie aus "Skyrim" oder "Witcher 3" nicht als "Umblätterer" vorstellen. Das ist einfach ein ganz anderes Konzept, das zu einem großen Teil von der Freiheit lebt. Für einen Dungeon-Crawler, finde ich allerdings, ist eine schrittweise Herangehensweise nach wie vor interessant.

 


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