Das virtuelle Mafia-Epos: Blood & Truth


 

KRITIK • PS4 / PSVR • Zu den größten Problemen des jungen VR-Mediums zählt, dass es ihm noch immer an der Sorte Spektakel fehlt, das man von Blockbuster-Games für die normale Mattscheibe gewöhnt ist. Mit "Blood & Truth" ändert sich das jetzt endlich: Sonys spektakulär gefilmtes und interaktives Gangster-Movie knüpft an die Idee der beliebten VR-Demo "London Heist" von Ende 2016 an und verwandelt sie in ein vollwertiges Action-Spiel.

Hier übernimmt der Gamer die Rolle des Special-Forces-Soldaten Ryan Marks, der gerade aus dem Nahost-Einsatz kommt, um seinen Vater zu beerdigen. Der war allerdings nicht irgendein braver Durchschnitts-Daddy, sondern Chef einer mächtigen Verbrecher-Organisation, die Ryan jetzt zusammen mit zwei Geschwistern und der Mutter leiten soll. Würde ihnen da nicht der Boss eines konkurrierenden Syndikats einen Strich durch die Rechnung machen wollen: Der wittert nach dem Tod des Paten seine Chance und möchte sich das kostbare Netzwerk der Marks-Familie einverleiben.

Zeit für Ryan, seine im Kampf gegen Terroristen gestählten Baller- und Sprengkünste einzusetzen: Mit Pistole, Maschinengewehr, doppelläufiger Schrotflinte und Einbrecher-Köfferchen bewaffnet ebnet er sich seinen Weg durch Hotels, mehrstöckige Kasino-Betriebe und Baustellen, um die Handlanger des feindlichen Chef-Gauners zu dezimieren. Später macht er sogar mit Vertretern des Gesetzes gemeinsame Sache, um eine Verschwörung globalen Ausmaßes unter Beschuss zu nehmen.

Sonys inzwischen ganz und gar auf VR eingeschossenes London-Studio bietet für den Dauerfeuer-Betrieb zwei verschiedene Steuerungs-Optionen an: Wer keine zwei Move-Controller sein Eigen nennt, stürzt sich alternativ mit dem Dual-Shock-Controller in die bleihaltige Schlacht, erlebt dafür aber ein - wenn auch nur dezent - abgespecktes Spielerlebnis, das verschiedene feinmotorische Vorgänge des Spiels automatisiert.

 



 

Weil die aber einen wesentlichen Reiz von "Blood & Truth" ausmachen, empfiehlt sich der Griff zur Bewegungssteuerung: In diesem Fall steuert der Spieler mit je einem Move-Controller die linke und rechte Hand des Protagonisten, der aus der Ego-Perspektive zwischen verschiedenen, vom Spiel vorgegebenen Positionen hin und her jagt. Ein Prinzip, das ein bisschen an das "Beamen" aus vielen VR-Games erinnert, allerdings deutlich weniger abrupt passiert.

Wer danach das Feuer eröffnen will, der muss erst mit dem entsprechenden Controller zu seiner Hüfte oder hinter den Rücken greifen, um dort das Schießeisen aus dem Holster zu ziehen, bevor er per Trigger den Abzug betätigt. Will man die Zielsicherheit verbessern, stabilisiert man zusätzlich mit der zweiten Hand - wie im echten Action-Leben. Sogar das Nachladen will händisch nachvollzogen werden: Erst in die Brusttasche greifen, dann einen Munitions-Clip heraus fingern und anschließend noch flugs ins Magazin schubsen - ein Manöver, das man im Kreuzfeuer aus dem Effeff beherrschen muss.

Noch feinmotorischer wird es, wenn Ryan den Koffer mit den Spezialwerkzeugen zückt: Dann greift er mit den virtuellen Händen zu Zange, Batterie oder Dietrich, um teils knifflige Mechanismen zu sabotieren oder wieder in Gang zu bringen. Zum Glück funktioniert das filigrane Gefummel genauso gut wie der druckvolle Baller-Betrieb von "Blood & Truth": Die Abfrage der Move-Controller ist nicht immer perfekt, funktioniert aber erstaunlich präzise und erlaubt außerdem Geschicklichkeits-Einlagen oder Hollywood-Stunts, bei denen man aus der Ego-Perspektive im hohen Bogen durch die Luft segelt und dann im letzten Moment nach einer rettenden Kante greift.

Denn "Blood & Truth" ist vor allem eins: Purer Hollywood-Eskapismus, bei dem man sich direkt im Mittelpunkt der Action befindet.

Wer bisher daran zweifelte, dass sich Virtual Reality für diese Sorte Spiele-Event eignet, der wird hier eines Besseren belehrt. Sonys London-Studio präsentiert einen explosiven Shooter- und Erlebnis-Cocktail, der die Stärken des Mediums eindrucksvoll unterstreicht, während er seine Schwächen elegant ausmanövriert.

Zugegeben: Wer Ballerspiele mit maximaler Bewegungsfreiheit schätzt, der wird sich vermutlich an der Geradlinigkeit des Abenteuers stören, in dessen Verlauf man nur zwischen vordefinierten Stellungen springt. Zum Glück ist der Positionswechsel aber so geschickt und flüssig gelöst, dass dem Spieler die meiste Zeit über gar nicht auffällt, dass man ihm viele taktische Entscheidungen abnimmt. Klarer Fall: VR hat endlich seinen ersten echten  Blockbuster - und der macht auch noch richtig Spaß.

 

Note: 8.5 (SEHR GUT)

 

 



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