Kritik: Child of Light


 

Ubisofts Entwicklungs-Umgebung "UbiArt Framework" hat aktuell Hochkonjunktur: Die ursprünglich für "Rayman Origins" entwickelte Engine fand außerdem für "Rayman Legends" Verwendung, später in diesem Jahr soll mit ihrer Hilfe eine Neu-Inkarnation von "Prince of Persia" folgen. Die Stärken Tool-Sets: Komfortables Handling und maximale Freiheit bei der Verwirklichung fast jeder Art von 2D-Abenteuer durch ein kleines Entwickler-Team. Kompetenzen, die jetzt auch "Child of Light" zugute kommen: Das märchenhafte Horizontal-Rollenspiel ist das Herzensprojekt einer kleinen Schar von ehemaligen "FarCry 3"-Entwicklern und erscheint in erster Linie als Download – Sammler bekommen allerdings für attraktive 19,95 die Deluxe-Edition in der Box, Artbook inklusive.

 

Künstlerisch bemüht das mit wundervollen Aquarell-Hintergründen veredelte Action-Rollenspiel einen Mix aus frankobelgischem Comic-Look, Yoshitako Amano ("Final Fantasy") und Studio Ghibli. Während Umgebung, Monster und die meisten Charaktere aus ineinander verschobenen Illustrationen zu digitalem Leben erweckt werden, ist Heldin Aurora ein 3D-Figürchen, das man mit Hilfe von Cel-Shading-Technik an den Zeichentrick-Look des Rollenspiels angepasst hat. Spielerisch bemüht das engagierte Kleinst-Team von Ubisoft einen hochprozentigen Cocktail aus "Valkyrie Profile"-artiger Horizontal-Action, seichten Jump'n'Run-Aktionen und "Final Fantasy"-verwandten Rundenkämpfen: Kollidiert das Fantasy-Prinzesslein mit einem der monströsen Spielwelt-Bewohner, dann wechselt "Child of Light" in einen speziellen Kampfbildschirm, bei dem man per Menü Zauber, Sezialfertigkeiten und normale Attacken auslöst. Wann Aurora, ihr jeweiliger Mitstreiter oder die bizarren Gegenspieler an der Reihe sind, verrät ein Aktionsbalken: Je nachdem, wann das Symbol für den jeweiligen Kombatanten die Vorbereitungs- bzw. die Auslöse-Markierung passiert, landet er den entscheidenden Treffer vor oder nach der feindlichen Aktion.

Wer den Kampf übersteht, wird Genre-typisch mir Erfahrungspunkten und Stufenaufstiegen belohnt, um seine Figur per Fertigkeiten-Flussdiagramm auszubauen und zu individualisieren

 

 

Erzählerisch bedient sich das Entwickler-Team für sein in Reimen gedichtetes Interaktiv-Märchen bei mexikanischen und spanischen Gespenstergeschichten, auch die Erzählung der kleinen Ofelia aus Guillermo del Torros "Pans Labyrinth" stand Pate: Die Prinzessin einer übernatürlichen Feenwelt versucht aus unserer drögen Realität zurück in das Märchenreich ihres Vaters zu finden – doch ihre Reise endet in Tod und Agonie. Und zwar in genau dem Augenblick, an dem sie in der bizarren Traumwelt aus "Child of Light" erwacht. Zusammen mit einem freundlichen Irrlicht will Aurora ins Reich der Lebenden und zu ihrem verzweifelten Vater zurückfinden. Während die kleine Heldin läuft, springt, Objekte verschiebt und später sogar mit Feen-Flügeln durch die Levels flattert (alles per linkem Analogstick), folgt ihr das brave Lichtlein automatisch auf Schritt und Tritt – und zwar bis zu dem Moment, an dem der Spieler mit dem rechten Steuerknüppel seine Kontrolle übernimmt. Weil die kleine Sphäre keinen festen Körper besitzt, darf sie sie durch für Aurora unpassierbare Ritzen und Wände schweben, um die dahinter verborgenen Schätze einzusacken. Auch im Kampf erfüllt das putzige Kerlchen einen guten Zweck: Selbst während der Pausen in den Aktionsmenüs darf das Irrlicht durch den Kampfbildschirm zischen, um Regenerationssphären von Pflanzen zu schütteln. Auf diese Weise kann es seinen Gefährten unter die Arme greifen, denn die ersparen sich auf diese Weise den Einsatz kostbarer Aktionen, die sie sonst für das Einwerfen von Heiltränken benötigen würden.

 

Obwohl "Child of Light" im Grunde nur altbekannte Rollenspiel-Regeln und -Klischees zitiert, sind die kunstvolle Präsentation und die einfühlsam in Versform erzählte Geschichte Alleinstellungsmerkmal genug, um sich auf angenehme Weise vom Rest der Rollenspielwelt abzuheben. Die anfangs all zu leichten Kämpfe ziehen im späteren Spielverlauf ordentlich an: Ohne clevere Taktik gehr hier gar nichts mehr. Den einzigen Rüffel muss sich das auf Indie getrimmte Rollenspiel allein beim Level-Design gefallen lassen: Die Traumwelt ist zwar wunderschön gezeichnet und animiert, doch auf spielerischer Seite fehlt es ihr an Abwechslung und Interaktionsmöglichkeiten.

(8 von 10 / "gut")


Ubisoft Montreal • ab 30. April für Xbox 360, Xbox One, PS3, PS4, WiiU und PC • ca. 20 Euro • ab 6 Jahren • für Fortgeschrittene und Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär