Per Elefanten-Express durch den Himalaya: Ubisoft verlegt seine Ego-Shooter-Reihe mit "Far Cry 4" von den Tropen ins Gebirge. Hier freuen sich Besitzer von PS4, PS3, XBox One, Xbox One und PC über die derzeit schönste offene Action-Spielwelt, spannende Feuergefechte und ein plüschige, zum Abschuss freigegebene Fauna.
für PS4, PS3, Xbox One, Xbox 360, PC
von Ubisoft
Multiplayer: zwei bis zehn Spieler (online)
für Fortgeschrittene und Profis
im Handel
ca. 60 Euo
ab 18 Jahren
OBEN:
So sieht Kyrat aus, wenn die Waffen schweigen.
LINKS: Rhinos sind die Panzer der kyratischen Fauna. Die Dickhäuter sind reizbar und schlucken reichlich Munition.
"Achtung, ein Adler greift an!", schallt es über eine der zahlreichen Bergstraßen aus "FarCry 4". Und schon hastet der Spieler – wie immer in Ubisofts Shooter-Reihe aus der Ich-Perspektive – mit vorgehaltenem Schießprügel in Richtung Jeep. Dabei sucht er argwöhnisch den Himmel ab, damit ihn die messerscharfen Klauen des Raubvogels nicht erwischen, bevor er das rettende Auto erreicht hat.
Szenen wie diese sind nicht nur typisch, sondern vor allem bezeichnend für den fast schon chronischen Blödsinn, der sich Spieltag für Spieltag in Kyrat abspielt: So ziemlich alles, was in dem fiktiven, im Himalaya gelegenen Mini-Staat kreucht und fleucht, will dem Spieler als Leder – oder sich gegenseitig meucheln, fressen, verhackstückeln. Ob wildgewordene Sau, kreischender Primat, blökender Tapir, übergroßer Piepmatz, Raubkatze, Dickhäuter oder Gorilla: Die asiatische Flora und Fauna ist nicht nur ähnlich reichhaltig wie die auf den Tropeninseln aus "FarCry 3" – sie ist auch mindestens genauso aggressiv.
Und wieder mal das Herzstück eines florierenden Ressourcen-Kreislaufs, der inzwischen für fast alle Spiele des französischen Herstellers geradezu symptomatisch ist: Kaum hat sich das Gebiss eines wütenden Hundes im Unterschenkel des Helden verbissen, da rammt der ihm auch schon das Messer in den Rücken und zieht ihm anschließend buchstäblich das Fell über die Ohren. Das wird anschließend bei einem der vielen durchs Hinterland streifenden Sherpa-Händler vertickt – oder aber man verwandelt es per Herstellungsmenü in eine größere Börse oder ein Waffen-Gehänge mit noch mehr Platz für tückische Mordinstrumente.
LiNKS: Bösling Pagan Min ist eigentlich cooler als Vaas, trotzdem wirkt er durch seine zwanghafte Ausgeflipptheit viel zu formelhaft. Für das nächste Mal wünschen wir uns einen
'normaleren' Boss!
Letztere wiederum werden entweder gegen Bares gekauft oder allmählich freigeschaltet: Ein durchgeknallter Priester mit Waffen-Tick drückt dem Helden gerne Schrotflinten, unterschiedliche Automatik-Modelle und sogar Raketenwerfer in die Hand – er muss nur fleißig genug die Schergen von Kyrats selbsternanntem Despoten-König Pagan Min über den Haufen schießen. Ob heimlich oder offensiv, bequem vom Auto oder dem Rücken eines Dickhäuters aus – das ist dabei herzlich egal. "FarCry 4" stellt den Spieler zwar hin und wieder vor moralische Entscheidungen – doch letztlich geht es um Cash, Ressourcen und Erfahrungspunkte. Harte Währung also. Und alles, was dabei hilft, zu einer noch tödlicheren Vernichtungsmaschine zu werden. z.B. mit jeder Menge nützlichen bis skurrilen Fertigkeiten: Gegner noch effektiver von hinten abmurksen? Gekauft! Elefanten reiten? Her damit! Die maximale Lebensenergie steigern? Aber immer doch! Leistungs-steigernde Drogen-Cocktails aus bunten, selbstgepflückten Kräutern brauen? Runter mit dem Zeug!
RECHTS: Das Pendant zu den Drogen-Trips aus Teil 3 sind die Ausflüge ins mystische Reich Shangri-La.
Kurzum: "FarCry 4" erzählt zwar eine mit mystischen Intermezzi gespickte Geschichte um eine packende Rebellion, doch letztlich geht es darum, die Ego-Shooter-Rollenspiel-Nachschub-Maschine zu schmieren. Und dafür hält die riesige Spielwelt mehr als genug Möglichkeiten bereit: Von Mins Truppen besetzte Checkpoints zurückerobern, mit Funktürmen ein weiteres Stückchen Landkarte erschließen und haufenweise Botengänge für Kyrats geschundene Bevölkerung erledigen – auf den Straßen des Himalaya ist viel los!
Erzählerisch ist Ubisofts Open-World-Schlacht dabei nicht sonderlich virtuos – stellenweise wirkt die bemühte Darstellung von wild um sich ballernden und grölenden Freiheitskämpfern geradezu lächerlich. Aber bei so viel fein aufgelöstem Grafik-Zuckerguss nimmt man logische Unzulänglichkeiten gerne in Kauf. Zumal der Titel mit interessanten Mehrspieler-Modi geradezu gespickt ist: Gegeneinander, miteinander oder spontan in die laufende Kampagne eines anderen einsteigen – alles möglich.
Hinzu kommt Kyrat selber: Dessen Flora und Fauna steckt so voller Details und geschickt vorgegaukeltem Leben, dass man einfach nicht genug davon bekommt. Gurgelnde Gebirgsbäche, blühende Haine, sich im Wind wiegendes Gras, nebelverhangene Gebirgsgipfel, mystische Tempelanlagen – da bucht man gerne seinen (Abenteuer-)Urlaub.
Zugegeben: Bei "Far Cry" macht sich ebenso wie bei "Assassin's Creed" allmählich eine Formel-Ermüdung breit. Denn die bekannte Rechnung wurde trotz dezenter Ergänzungen (darunter ein Mini-Helikopter, Drive-by-Shooting, Raubtier-Köder und Kletterhaken) kaum verändert. Hinzu kommt die für viele Spieler fragwürdige Entscheidugn des Herstellers, eine Vielzahl von Mechanismen auf fast all seine Titel anzuwenden: So finden sich die aus "Assassin's Creed" bekannten Türme (für die Stück-für-Stück-Aufdeckung der Weltkarte) wie selbstverständlich auch in "Watch Dogs" und "Far Cry". Sogar andere Hersteller bedienen sich inzwischen dankbar beim Turm-Konzept: Jüngst hat Warner die Methode erfolgreich aufs Schattenreich Mordord angewandt.
Das kann man zwar als Ideenarmut be(weh)klagen, doch gerade bei "Far Cry 4" geht die Formel noch immer so souverän auf, dass man dem Hersteller fast schon so etwas wie die Entwicklung des
'Meta-Rezepts' für Open-World-Spiele attestieren kann. Und das sorgt nach wie vor für massive Suchterscheinungen – auch wenn man ob des Wiedersehens zunächst verächtlich die Nase rümpft. Will
heißen: Macht – richtig eingesetzt – noch immer einen Heidenspaß… aber für die nächste Episode wünschen wir uns dann doch mehr Neuheiten und weniger Formelhaftigkeit. Und keinen künstlich
ausgeflippten Bösewicht, der sich am Ende doch nur als Standard-Spießer entpuppt.
8.5
sehr gut
Grafik: sehr gut
Sound: gut
Steuerung: sehr gut
Spielspaß: sehr gut