Messe nervt, Spiele begeistern: Was ich von der Gamescom mitgenommen habe.

Bild-Composing: Robert Bannert
Bild-Composing: Robert Bannert

 

Am ersten Tag einer neuen Messe frage ich mich für gewöhnlich, warum ich mir diese Ochsentour schon wieder angetan habe: Während die verschwitzte Fan-Stampede auf der Suche nach T-Shirts und Schlüsselanhängern durch die Korridore walzt oder sich nach Art willfähriger Lemminge in Warteschlangen einreiht, wird die Journalisten-Herde im Business-Center von einer Umzäunung zur nächsten getrieben – und die Belohnung für das brave Muhen ist nicht selten eine Video- bzw. Gameplay-Präsentation, die man wenige Stunden darauf auch im Netz findet. Bequem und ohne jede Anstrengung vom heimischen PC aus. Ohne die Augenringe, die Übermüdung, die Heiserkeit und die Erkältung, die mit so vielen Messe-Besuchen einhergeht.

Man kann diesen Zeilen unschwer anmerken: Ich bin kein Messe-Fan. Ebenso wie ich Gewimmel hasse, verabscheue ich es, zusammen mit Herden aus anderen Kollegen durch einförmig und oft einschläfernd aufgebaute Präsentations-Termine gepeitscht zu werden. Vielleicht liegt das daran, dass ich zu einer Zeit in die Branche eingestiegen bin, als man beim Besuch von ECTS oder E3 (lange vor der GC-Ära) noch persönlich vom PR-Manager empfangen und in jedes Produkt eingeführt wurde. Heute dagegen darf ich mich erstmal gegenüber vom PR-Counter in Fremdschäm- und Abhol-Position an die Wand stellen, bevor dann endlich eine Event-Drohne anschwirrt, um mich in ein nummeriertes Präsentations-Zimmerchen oder an eine Anspiel-Station zu geleiten. Termine, bei denen mir mein PR-Kontakt höchstpersönlich – evtl. flankiert von einem Entwickler – das Produkt vorführt und erklärt, sind zur absoluten Ausnahme geworden. Die Zeit der Exklusivität und des persönlichen Kontakts ist fast vorbei – und damit vieles von dem, was eine Messe für mich als Journalist früher so attraktiv gemacht hat. Darum habe ich meine Herangehensweise an die Tage im Gamer- und Gamesbranchen-Schwarm während der vergangenen Jahren zunehmend verändert: Termine mache ich mit jedem Jahr weniger – denn auf die Vorführung zwar hochkarätiger, aber uniformer Blockbuster-Granaten aus dem "Alle Jahre wieder"-Karussell kann ich getrost verzichten. Nicht, weil ich für diese Titel grundsätzlich nichts übrig hätte oder sie für überflüssig halten würde – aber hier weiß ich eben, was ich bekomme. Also nutze ich ein Gros des Fachbesucher-exklusiven Tages, um nicht durch das Business-Center, sondern durch die Besucherhallen zu schlendern – einen Tag, bevor sich der ganz große Fan-Wurm durch die Korridore wälzt. Hier verschaffe ich mir gerne den Überblick, der mir früher gefehlt hat, weil ich mich von Stunde 1 an in die "Jede halbe Stunde ein Termin"-Hölle gestürzt habe. Hier fallen mir Produkte ins Auge, die ich sonst verpasst hätte – und  habe ich obendrein hin und wieder das Glück einer angenehmen Kollegen-Zufallsbegegnung nebst anschließendem Plausch. Das verschafft mir zumindest kurzzeitig dieses wohlige Klassentreffen-Gefühl, das solche Messen einmal ausgezeichnet hat. Das motzt meine anfangs noch miese, von Übermüdung und Reise-Erschöpfung getrübte Laune erheblich auf – und motiviert mich für die nächsten Tage. Dann bekomme ich wieder Lust, mir Zeit für ein paar kleinere Spiele-Titel zu nehmen oder neue zu entdecken – wie etwa "Little Nightmares", "The Long Journey Home", "Lost Ember", "The Sexy Brutale" und "Monsterboy". Oder mir solche Titel anzusehen, auf die ich mich schon seit Monaten freue – wie "Horizon: Zero Dawn" und "Zelda: Breath of the Wild". Dann besorge ich mir auf den letzten Drücker einen Vorspiel-Termin, lasse mich last minute in die letzte Reihe einer eigentlich schon überbuchten Präsentation stecken, erbettele einen Fast-Pass oder schmeichle mich bei "Crytek" in die Präsentation von "Robinson: The Journey" ein, obwohl man sich den Titel eigentlich bei Sony hätte ansehen sollen. Auf diese Weise bekommt die sonst so langweilige, weil von Anfang bis Ende durchgeplante Messe endlich wieder eine spielerische Komponente.

 

Darum an dieser Stelle meine gut gelaunte Top-Liste: Diese Spiele haben mir auf der GC besonders viel Spaß gemacht.

 


The Long Journey Home

(von Daedalic • Ende 2016 für PC)

 

In den vergangenen Monaten wurde Daedalics "The Long Journey Home" immer wieder mit Hello Games' "No Man's Sky" verglichen – denn in beiden Titeln reist der Spieler durch eine von prozeduralen Algorithmen zusammengewürfelte Zufalls-Galaxie. Doch damit haben sich die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Weltraum-Reisen auch schon erschöpft: Anders als beim Hello-Titel erforschen wir das "Long Journey"-Universum nicht aus der Ich-Perspektive – stattdessen weichen wir wie bei einem Arcade-Game Asteroiden und Feindbeschuss aus, während wir unseren trägen Raumschiff-Brocken durch eine von oben abgebildete Galaxie pilotieren und mit Hilfe des Navigations-Systems eine Sprungroute planen. Die Multiple-Choice-Begegnungen mit den überwiegend knuffigen Comic-Aliens laufen vor allem über das Kommunikationssystem des Raumschiffs ab – in diesen Momenten nimmt die rund fünf- bis sechsstündige Kampagne interessante Wendungen, denn das angenehm diverse Persönlichkeits-Design der verschiedenen Spezies ist immer wieder für eine Überraschung gut.

 

Wie in "No Man's Sky" dürfen wir auch in "The Long Journey Home" auf den meisten Planeten landen – zum Beispiel, um Ressourcen zu gewinnen oder einen wichtigen Kontakt zu besuchen. Allerdings bestehen die Himmelskörper im Daedalic-Spiel meist nur aus einigen Bildschirmen – mit gerade mal genug Platz, um das Landungsschiff ins Dock zu bringen. Trotzdem schafft es der kleine Titel souverän, das Gefühl von Größe zu vermitteln – vor allem aber von Tragweite, denn anders als bei "No Man's Sky" ist er mit Bedeutung aufgeladen, erzählt uns eine Geschichte von wahrhaft galaktischen Ausmaßen und bietet innerhalb der kurzen Spielspanne jede Menge Abwechslung. Hier sollen nicht die Planeten, sondern vielmehr die Geschichten entdeckt werden, die seine Bewohner zu erzählen haben. Der besondere Reiz daran: Ist die Story zu Ende, erleben wir sie sofort erneut – und dank Zufallsparameter verläuft sie bei jedem Durchlauf dramatisch anders.


Robinson: The Journey

(von Crytek und Sony • ab Oktober für PS4 / Playstation VR)

 

Neben  "Resident Evil 7" ist das PS4-exklusive "Robinson: The Journey" genau das Spiel, mit dessen Hilfe die Verkäufe der "PlayStation VR" durch die Decke gehen könnten – und zwar von Anfang an, denn anders als Capcoms Zombie-Horror stehen die urzeitlichen "Robinson"-Dickhäuter bereits im Oktober Spalier. Brachio und T-Rex donnern püntklich zur Veröffentlichung des Headsets durch den VR-Dschungel.

Nun steht Crytek spätestens seit "Ryse: Son of Rome" nicht unbeding in dem Ruf, spielerischen Tiefgang zu bieten – dafür sitzen in dem Frankfurter Studio einige der besten Grafik- und Technikprofis der ganzen Branche. Und genau die braucht es, damit uns VR endlich so richtig schön aus den Socken haut. Dass "Robinson" hierfür das Potential hat, davon durften wir uns auf der Gamescom überzeugen, während uns Producer Fatih Özbayram durch die Erfahrung begleitete. In der spielbaren Demo war der Pfad, dem wir als zwölfjähriger Dreikäsehoch auf dem Weg zu einem gigantischen Raumschiffwrack durch eine urtümliche Welt folgen müssen – noch reichlich geradlinig, doch für das fertige Spiel hat uns Özbayram ein Open-World-artiges Abenteuer versprochen. Das führt uns wahlweise innerhalb von wenigen Stunden zum Ziel – oder aber für viele Tage und Wochen in die Untiefen des brodelnden Dschungel-Universums, während wir neugierig dessen Flora und Fauna erforschen. Und die hat es in sich: So recken uns turmhohe Pflanzenfresser ihren massiven Schädel entgegen und beäugen uns neugierig, während wir in schwindelerregender Höhe durch Bäume und über Felsen kraxeln – inzwischen schwirren riesenhafte Libellen und Staubpartikel um uns herum, ergießen sich regelrechte Wasserfälle durch das Blätterdach des Urwalds und preschen am Dschungelboden flinke Räuber durchs Unterholz. Die Welt von "Robinson" ist lebendig und paradiesisch, aber auch bedrohlich und ehrfurchtgebietend. Unsere Möglichkeiten zur Interaktion mit dieser prachtvollen Kulisse beschränken sich aktuell auf einen PlayStation-Move-inspirierten Levitations-Stab und allerlei Kraxeleien. Mit ersterem wuchten wir Elemente aus der Level-Architektur herum, letztere sind mit den Kletter-Partien aus Cryteks Oculus-exklusivem "The Climb" verwandt. Wir erkunden die "Robinson"-Welt ausschließlich mit dem Dual-Shock-Controller – darum hat Crytek auf die Darstellung von Beinen verzichtet (die sorgen beim Joypad-Gang durch VR-Titel gerne für gesteigerte Übelkeit). Mit dem Kopf steuern wir die Blickrichtung des kleinen Helden, der rechte Analog-Controller dagegen bestimmt die Marschrichtung. Momentan wechselt letztere ruckartig durch – d.h. wir drehen uns nicht wie von Ego-Shootern gewöhnt sanft um die eigene Achse, vielmehr wird plötzlich zwischen unterschiedlichen Winkeln umgeschaltet. Laut Özbayram empfinden die meisten VR-Spieler diese Lösung als die angenehmste – allerdings wird das fertige Spiel auch eine konventionelle, also "weiche" Ausrichtungskontrolle bieten.

Keine Frage: Das Szenario ist für den VR-Jungferntrip wie geschaffen. Einziges Manko: In der gezeigten Version lässt der Titel noch etwas die gewünschte Tiefenwirkung und Räumlichkeit vermissen – hier wird hoffentlich noch nachgebessert.


The Legend of Zelda: Breath of the Wild

(von Nintendo • Frühjahr 2017 für WiiU und NX)

 

Gigantische, offene Spielwelten bereisen, das Terrain durch das Erkraxeln von Aussichtstürmen Stück für Stück offenlegen, dabei die einheimische Flora wie Fauna streng nach Crafting-Rezept in die Pfanne hauen: Für die meisten Open-World-Games ist diese Rezeptur seit fast zehn Jahren Standard – Nintendo allerdings hat das Konzept erst jetzt für sich entdeckt. Mit "Breath of the Wild" geht "Zelda"-Spitzohr Link den Schritt in Richtung Open-World-Formel – und der wird längst nicht allen Fans der Traditions-Serie schmecken. Denn mit dem Mehr an Bewegungsspielraum geht auch ein Mehr an Beliebigkeit einher – "Zelda" bemüht sich allem Anschein nach, seine DNA trotz der Änderungen zu bewahren, aber das einst so scharfe Profil des Elfen wird dennoch spürbar aufgeweicht. Ebenfalls zu weich geraten ist die Auflösung des Titels: Obwohl Nintendo erstaunliche Detailzeichnungen und geschmeidige Animationen aus der WiiU-Architektur kitzelt, kann "Breath of the Wild" nicht mit knackscharfen Mega-Spielplätzen wie bei einem "Witcher 3" oder "Far Cry Primal" gleichziehen, obwohl diese Titel offenkundig zitiert werden. Wieviel "Zelda" dabei am Ende übrig bleibt, erfahren wir erst Anfang kommenden Jahres – dann soll der Titel für WiiU und Nintendos Projekt "NX" erscheinen. Bei meiner Anspiel-Session war ich vom Nintendo-typisch griffigen Spielgefühl begeistert – Matsch-Texturen und extreme Treppchenbildung an Kanten bzw. Konturen dagegen habe ich im Spielejahr 2016 als ausgesprochen störend empfunden. Für die NX-Version hoffe ich hier auf Besserung, denn die Art Direction hinter "Breath of the Wild" erscheint gelungen: Die Mixtur aus Fotorealismus und Comic-Look passt gut zum Serien-Erbe – besonders angetan hat es mir das herrlich verschnörkelte Design der futuristischen Elemente.

 


Little Nightmares

(von Tarsier Studios und Bandai Namco • Frühjahr 2017 für PS4, Xbox One, PC)

 

Ein monströser Zombie-Koch mit leblosem, maskenartigen Gesicht – und eine zierliche, kleine Heldin im gelben Regenmantel will dem grausamen Zugriff seiner fleischigen Pranken entkommen: "Little Nightmares" gehörte zu den wenigen echten Überraschungen der diesjährigen Gamescom – nicht umsonst räumte das knuffige bis verstörende Grusical den Indie-Award der Veranstaltung ab. Ob diese Definition mit einem Hersteller wie Bandai Namco im Rücken noch zutrifft (zumal das schwedische Entwickler-Studio "Tarsier" rund 40 Angestellte zählt und bereits an Produkten wie "Little Big Planet mitgewirkt hat), ist fraglich – doch auf alle Fälle fühlen sich die kleinen Alpträume wie ein tyisches Indie-Aufgebot an: Der angenehm schrullige und auf Stop Motion á la Tim Burton gebürstete Look ist der exakte Gegenentwurf zu geleckten Blockbuster-Titeln – die knifflige Kombination aus Schleich- bzw. Adventure-artigem Knobel-Gameplay wiederum bürgt für Nischenkost. Die kleine Heldin verbirgt sich unter Regalen und Tischen, um dem Zugriff des monströsen Chefkochs zu entkommen – außerdem schubst sie z.B. massige Fleischbrocken durch eine Falltür, um sie mit der Maschine im Stockwerk darunter in ein Schwungseil aus Würsten zu verwandeln. Klingt bizarr? Ist es auch – und genau darum freue mich wahnsinnig drauf!


The Sexy Brutale

(von Tequila Works • ab 2017 für PC, PS4, Xbox One)

 

Blöder Titel, vielversprechendes Spiel: Wie im Filmklassiker "Täglich grüßt das Murmeltier" wiederholt sich in "The Sexy Brutale" derselbe Tag immer und immer wieder - und zwar so lange, bis der Held eine Mordserie aufgeklärt hat. Sein wichtigstes Werkzeug dabei: Eine magische Maske mit steigerbaren Kräften. Während der Held in der Zeitschleife gefangen ist, beobachtet er seine Umgebung ganz genau und sucht nach Interaktionsmöglichkeiten, um das jeweilige Mordopfer zu retten. Bei Erfolg werden die Fähigkeiten der Maske gesteigert, und es geht in den nächsten Abschnitt der Killer-Villa. Für die nötige Übersicht sorgt dabei eine Karte, auf der die Marschrouten der Figuren gespeichert und animiert abgebildet werden.

Selber Hand anlegfen durfte ich bei "Sexy Brutale" nicht, aber der eigenwillige Grafikstil und das ungewöhnliche Konzept haben meine Neugierde geweckt. Zugegeben: Bei der Präsentation hat das Zeitschleifen-Adventure noch ein wenig konfus gewirkt – aber ich hoffe, dass das fertige Spiel seine Idee zugänglich vermittelt. Ich behalte "Sexy Brutale" auf alle Fälle im Auge.


Resident Evil 7 – Biohazard

(von Capcom • ab Januar 2017 für PC, PS4, Xbox One)

 

Nach jahrelanger Identitätsrkrise macht Capcoms altehrwürdige Horror-Serie endlich wieder auf Gruselig. Angeblich knüpft Teil 7 an die Ereignisse in Teil 6 an, ohne ihn übermäßig zu zitieren oder sich an seiner Mixtur aus Kawumm-Action und japanischem Gummi-Tentakel-Horror zu orientieren. Stattdessen ist egoperspektivisches Grauen angesagt – und das vorzugsweise mit einem VR-Headset auf dem Kopf. Wer "Biohazard" mit Cyber-Brille genießt, der muss naturgemäß die niedrigere Auflösung in Kauf nehmen – bekommt aber genau die Erfahrung kredenzt, auf die es das japanische Entwickler-Studio abgesehen hatte. Dazu zählen verfallene, alte Südstaatenhäuser, wild keifende Monsterweiber und einige der ekligsten Schockeffekte, die das Genre zu bieten hat. Kurzum: Wer sich auf den VR-Trip einlässt, der sollte besser eine kerngesunde Pumpe haben – sonst kippt er u.U. mausetot vom Stuhl. Auf der Messe durfte ich mich schon mal probegruseln – VR-seitig wurde aber leider nur die bereits von der E3 bekannte "Kitchen-Demo" gezeigt. Weil man hier die ganze Zeit an einen Küchenstuhl gefesselt ist, lässt sich über die VR-Tauglichkeit der Joypad-seitigen Fortbewegung leider nichts sagen, aber Immersion, Räumlichkeit und Schauer-Wirkung der Demo sind enorm. "Resident Evil 7" hat das Zeug zum Zünglein an der VR-Waage.


Horizon: Zero Dawn

(von Guerrilla Games • ab 01.03.2017 für PS4)

 

Sollte ich ein Spiel benennen, das mich auf die Messe gezogen hat, dann wäre es die urzeitliche Jagd auf Roboter-Bestien von "Killzone"-Macher Guerrilla Games – und zum Glück hat mich das Action-Adventure nicht enttäuscht: "Horizon" ist nicht nur das bisher schönste PS4-Abenteuer – es fühlt sich auch noch frisch an. Urzeit-Szenario und Roboter-Schwarm – beide für sich sind sie nichts Neues, aber zusammen ergeben sie eine explosive Mischung, die sich für mich wie ein erwachseneres und feiner gezeichnetes "Zelda" anfühlte. Heldin Aloy beharkt die mechanischen Ungetüme mit einem Regen aus verschiedenartigen Pfeilen – je nachdem, auf welche Schwachpunkte ein vorausgeschickter Gegner-Scan hingewiesen hat, wird eine andere Sorte Geschoss aus dem Köcher gezogen. Ist der Feind zu aggressiv oder schnell, dann duckt sich unsere zottelhaarige Heldin entweder mit flinken Ausweichrollen unter seine Attacken weg – oder aber sie macht ihn kampfunfähig, indem sie mit Seilpfeilen ein dichtmaschiges Netz knüpft. Mit dessen Hilfe wird der Feind an den Boden gepinnt und kurzfristig bewegungslos. Ebenfalls eine gute Idee: Der derart gehandicapte Feind wird mit Hilfe eines Stab-förmingen Moduls gehackt und in einen willfährigen Waffenbruder oder aber ein treues Reittier verwandelt. Die Animationen von Heldin und Gegnern sind bei den archaischen Waffen- und Erkundungsgängen nicht das einzige visuelle Highlight – auch die steinzeitlich anmutende Umgebung ist ein echter Hingucker. Ein vor Details nur so strotzender Erlebnis-Park, in dem sich jeder Baum und jeder Grashalm im Wind wiegt und meisterlich gesetzte Texturen bzw. Textur-Kanäle für eine nahezu fotorealistische Erfahrung sorgen.

 

Schade, dass das für die Messe zusammengezimmerte Demo-Terrain noch recht klein war – denn der Urzeit/SciFi-Odyssee hätte ich ohne zu murren einen kompletten Messe-Tag "geopfert". Das Abenteuer des rothaarigen Wildfangs Aloy bedient sich wunderbar griffig, jedes Manöver geht ebenso flott wie intuitiv von der Hand. Ganz klar mein persönliches "Most Wanted"-Spiel. für die nächsten Monate.


The Surge

(von Deck13 und Focus Home Entertainment • ab 2017 für PS4, Xbox One, PC)

 

Als Konsolero der ersten Stunde bin ich ein großer Freund von allem, das sich an den Spielerfahrungen von damals orientiert – ihre Stilelemente oder ihr Gameplay zitiert und allgemein den Geist der Pixel- bzw. Arcade-Ära atment. Mit seiner "Dark Souls"-Reihe hat das japanische Studio From Software das Kunststück geschafft, Spielemechanismen von damals mit denen von heute zu paaren – das Ergebnis ist zwar nicht immer homogen, aber es erinnert tatsächlich gelungen an den Bossgegner-Horror und Rücksetzpunkt-Wiederholungsschleifen der "guten alten Zeit". Der überzogen hohe Schwierigkeitsgrad ist hier der eigentliche Star.

Auch der deutsche Entwickler Deck 13 bedient inzwischen gekonnt diese Nische – sein "Lords of the Fallen" war nicht gar so brutal wie ein "Dark Souls" oder "Bloodborne", aber einige seiner Endgegner-Gefechte haben die zitierte Spiele-Epoche noch gekonnter portraitiert als Froms "Original". Mit "The Surge" peilt Deck13 jetzt dieselbe Zielgruppe an: Statt stiernackiger Fantasy-Schwertschwinger bekommen Hitpoint-Masochisten hier einen futuristischen 'Working Class Hero' im Exo-Skelett serviert, der seinen monströsen Gegnern erst gezielt die Gliedmaßen abschnippeln muss, bevor er mit ihrer Hilfe Leistungsverstärker konstruieren darf. Bei unserem kurzen Testspiel wirkte die cybertronische Schlachtplatte spürbar flotter als "Lords of the Fallen" – blitzartige Ausweichmanöver waren überlebensnotwendig, um den wuchtigen Hieben von Roboter-Stampfern und Stahlklauen zu entkommen.

 

Persönlich freue ich mich auf "The Surge", denn ich mag den bunten bis bonbonfarbenen Grafikstil des Entwicklers – allerdings befürchte ich, dass ich das SciFi-Gehacke ebenso wenig durchspielen werde wie ein "Lords of the Fallen", jegliches "Dark Souls" oder "Bloodborne": Als Teenager oder junger Twen hätte ich mich vermutlich mit Wonne in jeden dieser Titel verbissen, doch inzwischen fehlen mir die dafür nötige Freizeit und das erforderliche Nervenkostüm. Wenn ich nach zwölf Stunden Text- oder Layout-Arbeit für zwei Stündchen die Konsole hochfahre, dann brauche ich regelmäßigen Erfolgs-Input – also greife ich eher zu "Witcher" oder "Fallout" als zur Arschtritt-Fabrik á la From. Wer aber zumindest einen Hauch von "Dark Souls"- oder Dark-Future-DNA im verspielten Erbgut hat, der behält "The Surge" unbedingt im Auge.


Über den Autor


Mit 22 Jahren Branchen-Erfahrung gehört Robert Bannert – Spielstart 1974 in Köln – zu den erfahrenen Spiele-Redakteuren im Lande. Seitdem er 1994 bei der MAN!AC-Redaktion in die schreibende Zunft einstieg, fährt er zweigleisig – als Autor und als Grafiker. Nach einem zweijährigen Gastspiel als der deutsche Abe bei GT Interactive und Oddworld Inhabitants besetzte Robert bei diversen Games-Publikationen ("fun.generation", "players", "PC JOKER") den Posten des Chefredakteurs, danach rief er mit "elektrospieler" seine eigene Print- und Online-Plattform ins Leben, deren Herausgeber er bist heute ist. Außerdem war er zeitweilig verantwortlicher Grafiker und Redakteur der "RETRO",  heute ist er u.a. ständiger freier Mitarbeiter bei der Trade- bzw. B2B-Publikation "IGM", liefert die Games-Artikel für den Münchener Medien-Service "Teleschau" und verfasst Kolumnen für Gameswelt sowie GamersGlobal.

 

Robert lebt mit einem mehrere tausend Titel starken Spiele-Archiv, ebenso vielen Comics und umfassendem Konsolen- bzw. Handheld-Fuhrpark im bayerisch-ländlichen Mering, gemütlich gelegen zwischen Augsburg und München. Robert ist seit 20 Jahren bekennender Mac-User – seinen Spiele-PC wirft er vor allem für Adventures und Indie-Games an, ansonsten greift er lieber zum Konsolen-Pad.