Krieg der Weltraum-Bürokraten: "Master of Orion"

 

Katzenhafte Alien-Kriegerinnen, großköpfige Psi-Krieger, hundeähnliche Expansions-Experten und jede Menge Daten-Ballast, der Strategie-Profis entzückt quietschen lässt, während er Genre-Neulinge brutal erschlägt: Mit seinem Remake des gleichnamigen 90er-Jahre-Klassikers will "World of Tanks"-Macher Wargaming Fans des Originals genauso beglücken wie neue Spieler rekrutieren? Kann dieser galaktische Spagat gelingen?

 

 

 

Ob gefiederte Alkari vom "wolkigen Planeten Altair", wilde Katzen-Aliens aus dem Stamm der Mrrshan, die Bulrathi auf einer religiösen Queste oder die "Akte X"-inspirierten "Psilonen": Elf vorgegebene Rassen – darunter auch die vergleichsweise langweiligen Menschen – verleihen dem Universum von "Master of Orion" Farbe. Und wem das noch immer nicht genug ist, der darf sich auf Basis dieser Vorlage seine eigene Traum-Spezies erschaffen. Mit ziemlich genau den Vorteilen, Nachteilen und Werten, auf die er es abgesehen hat. Denn noch bevor "Master of Orion" Science Fiction und klassisch gepoltes Weltraum-Epos ist, ist es ein Galaxien-umspannender, bürokratischer Apparat – wie sein altehrwürdiges, gleichnamiges Vorbild.

 

Als das 1993 zum ersten Mal auf der Bildfläche erscheint, da kommen die meisten Strategiespiele noch mit Handbüchern in Telefonbuchstärke und sind schwer erlernbare, behäbige Brocken für Spieler mit Buchhalter-Talent. Epische Raumschlachten werden hierbei ebenso Runde für Runde und per Menü geführt wie Verhandlungen oder der technologische Ausbau des eigenen Sternenreichs. Die Illustration des Excel-Universums ist dabei spärlich – darum bezieht das alte "Master of Orion" seinen Reiz vor allem aus der Fantasie-Leistung des Spielers, der hinter den nüchternen Textzeilen und Zahlen-Kolonnen gigantische Schlachten und packende Geschichten sieht. In dieser Hinsicht ist das Spiel stark mit den Rollenspiel-Regelschwarten und komplexen Tabletop-Kriegen der 80er- 90er-Jahre verwandt. Einziger Unterschied: Es nimmt dem Spieler die Rechnerei ab, die er bei Paper'n'Pencil- und Tabletops-Games selber übernehmen müsste.

Heute sieht das ein bisschen anders aus: Strategiespiele laufen überwiegend in Echtzeit ab, und verspielte Science-Fiction-Universen sind lebendige, filmreif inszenierte Schauplätze, die fast nichts mehr der Vorstellung überlassen. Vielleicht aus exakt diesem Grund sehnt sich auch manch ein Strategie-Fan nach Taktik-Titeln wie in der guten alten Zeit zurück: Ein bisschen hübscher dürfen sie dann schon sein, aber ansonsten bitte genauso bürokratisch, tabellarisch und komplex wie früher!

 

So betrachtet kommt Wargamings Remake des Klassikers gerade Recht – denn nach über 20 Jahren ist der Meister des Orions im Grunde noch immer da, wo er angefangen hat: Thematisch irgendwo zwischen klassischen SciFi-Stoffen wie "Flash Gordon" oder "Perry Rhodan" angesiedelt – und Gameplay-seitig so richtig schön unzugänglich. Statt kargen Pixel-Illustrationen gibt es heute  natürlich professionell inszenierte Charaktere mit den Stimmen von Stars wie Kat Cressida als Herrscherin der galaktischen Miezekatzen-Fraktion oder Michael "Worf" Dorn als Erzähler – obendrein schwirren putzig animierte Mini-Zerstörer um die Planeten und Gestirne einer Kosmos-Karte, die aussieht, als hätte man sie aus einem Astronomie-Buch der fünften Klasse kopiert und dreidimensional animiert. Und kommt es in der kunterbunten "Was ist Was"-Galaxie zum Konflikt – zum Beispiel, wenn sich Mrrshan und Bulrathi in die Katzen- beziehungweise Hundehaare bekommen – dann pfeifen uns die Photonen-Torpedos und Laser-Batterien in Echtzeit um die pelzigen Lauschlöffel. Warten… warten… dann im richtigen Moment den Auslöser für die Breitseite betätigen, und schon hat man wieder ein paar hundert Mäusejäger zur ihrer Gewölle-spuckenden Gottheit befördert. Und all das wie gehabt im Namen der Expansion: Zuerst die benachbarten Systeme auskundschaften, sich dann ausbreiten, Ressourcen ausbeuten und dafür notfalls die Nebenbuhler ausrotten. Das sind die vier Grundbausteine des "4X"- oder "XXXX"-Strategie-Konzepts, auf dem "Master of Orion" bis heute basiert - und für das jede Rasse ihre eigenen, meist martialisch oder religiös motivierten Gründe mitbringt.

 



 

Und "Master of Orion" wäre nicht "Master of Orion", würde es dafür auf all die wunderbar trockenen Listen, Diagramme, Verknüpfungen und das tonnenschwere Regelwerk verzichten, in das man sich regelrecht verbeißen muss, um die eigene Zivilisation vorwärts zu bringen. Spielrunde für Spielrunde die Ressourcen von neu besetzten Welten einstreichen, damit neue Flotten bauen oder Forschungsprojekte in Gang bringen – das ist für Orion-Strategen das Salz in der Silizium-Suppe. Und im Idealfall sorgt es dafür, dass die Breitseite von unserem Schlachtschiff noch heftiger ausfällt: Mit den richtigen Rohstoffen im Hunderücken machen die Bulrathi-Wissenschaftler ihre schwerfälligen Pötte zum Beispiel wendiger und ihre Kanonen dicker – Pech für die Katzen-Kanoniere auf der Gegenseite! Wargaming hat sich darum bemüht, all diese Elemente behutsam zu entschlacken und zugänglicher zu gestalten, ohne bei der Daten-schwangeren DNA des Originals lebenswichtige Stränge zu entfernen. Schade nur, dass man es darüber versäumt hat, neue Spieler langsam an die Materie heranzuführen: Trotz der "Gewichtsreduktion" überfährt "Master of Orion" den Spieler förmlich mit seinem Regelwerk. Für Liebhaber des Klassikers eine feine Sache, für Newcomer ein Ärgernis mit Kopfschmerz-Potenzial.

Allerdings dürften sich Neulinge für das Spielkonzept ohnehin nur schwer erwärmen können, denn der neue Meister des Orions richtet sich an dieselbe Gamer-Gruppe wie sein Stammvater - nur, dass die inzwischen ebenso wie das Spiel um mehr als 20 Jahre gealtert ist. Kurzum: Hier wird genau das geboten, womit man rechnen durfte - nämlich ein ziemlich exakter Nachbau des Originals, der obendrein mit allen drei Vorgänger-Spielen als Gratis-Dreingabe kommt. "Master of Orion" hätte gerne mit neuen Ideen und einem weniger generisch wirkenden Universum aus dem Raumschiff-Dock kommen dürfen - aber Fans werden ihren Spaß dran haben.

 

Wer bereit ist, sich den Spaß etwas kosten zu lassen, der legt übrigens am besten mit der etwa zehn Euro teureren "Collector's Edition" los: Nur hier gibt's vom Start weg alle elf Rassen und die Vorgänger-Spiele als extra Appetit-Häppchen.

 

 


Wargaming • PC • EVT: 25.09.2016 • ab 12 Jahren • Produkt-Website


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